Heba Afifi, AHK Ägypten

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Ägyptens nationale Strategie "Egypt Vision 2030" zielt darauf ab, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2035 auf 42 Prozent zu erhöhen. Welche Sektoren haben das größte Potenzial für deutsche Unternehmen?

Mit der integrierten nachhaltigen Energiestrategie soll ein nachhaltiger Strommix in Ägypten etabliert werden. Es wurden viele Maßnahmen ergriffen, um die Beteiligung des Privatsektors an Projekten im regenerativen Energiesektor zu fördern. Infolgedessen waren 32 internationale und lokale Investoren an der Umsetzung des Benban-Solarprojekts bei Assuan beteiligt. Es ist das Größte im Nahen Osten und Afrika mit einer Gesamtkapazität von 1.465 Megawatt. Das Projekt wurde 2019 von der Weltbank als bestes Projekt weltweit ausgezeichnet.

Ägypten hat enormes Potenzial in der Wind- und Solarenergie. Das Land könnte zu einem der größten Produzenten erneuerbarer Energien aufsteigen. Eine Fläche von etwa 7.650 km2 wurde für erneuerbare Projekte ausgewiesen - das erwartete Potenzial liegt bei 35 GW für Windenergie und 55 GW für Solar. Die Entwickler werden den erzeugten Strom im Rahmen eines 25-jährigen PPAs an die Egyptian Electricity Transmission Company (EETC) verkaufen.

Wasserstoff wird als Schlüsselelement für die Energiewende angepriesen. In Ägypten wurde jüngst eine nationale Wasserstoffstrategie beschlossen. Welche Entwicklungen sind hier zu erwarten?

Ägypten misst Wasserstoff eine große Bedeutung bei und versucht, durch neue Projekte in dieses Feld einzusteigen. Hierzu wurde eine integrierte nationale Strategie für die Wasserstoffproduktion unter Beteiligung der verschiedenen Sektoren des Landes verabschiedet. Das Ziel ist, vor dem Hintergrund wachsenden internationalen Interesses an grünem Wasserstoff, erste Kapazitäten im Bereich der Wasserstofferzeugung und -nutzung in naher Zukunft zu erschließen.

Es wird erwartet, dass verschiedene Partnerschaften mit globaler Expertise etabliert werden, und dass grüner Wasserstoff in das nationale Energiesystem integriert wird. In diesem Zusammenhang beschloss der Premierminister im Dezember 2020, eine Wasserstoff-Arbeitsgruppe unter der Leitung des Ministeriums für Elektrizität und erneuerbare Energien zu bilden. Auch diverse Ministerien und Industrieverbände sind Mitglieder. Die Arbeitsgruppe hat bereits eine Studie zur sektorübergreifenden Relevanz der Wasserstofftechnologie in Ägypten durchgeführt. Sie analysiert die Produktions- und Nutzungsmöglichkeiten für Wasserstoff.

Anfang Dezember findet die Informationsreise zum Thema "Produktion, Speicherung und Verteilung von grünem Wasserstoff in Ägypten" statt. Was erwarten ägyptische Unternehmen von deutschen Firmen und vom Thema Wasserstoff?

Die ägyptischen Stromkonzerne sind an einer Zusammenarbeit mit erfahrenen deutschen Unternehmen, vor allem in der Produktion und Verteilung von Wasserstoff, interessiert. In diesem Zusammenhang hat das Ministerium für Elektrizität und erneuerbare Energien am 13. Januar 2021 mit Siemens eine Absichtserklärung unterzeichnet. In Gesprächen und Studien zur Umsetzung eines Pilotprojekts soll untersucht werden, wie grüner Wasserstoff in Ägypten hergestellt werden kann. Hohen Wert legen die privaten ägyptischen Unternehmen in der bilateralen Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen auf Fragen des Technologietransfers. Sonst wären Alternativen aus anderen Ländern schnell wettbewerbsfähiger. Die ägyptische Seite wäre auch offen dafür, Konsortien zu bilden, um neue Wasserstofftechnologien zur Marktreife zu bringen. Darüber hinaus wären gemeinsame Studien interessant, um die technischen und finanziellen Aspekte grüner Wasserstofftechnologien zunächst weiter zu ergründen.

Worauf sollten deutsche Unternehmen bei der Planung des Markteintritts besonders achten?

Als juristischer Rahmen sind vor allem das Elektrizitätsgesetz Nr. 87 aus dem Jahr 2015 und das Investitionsgesetz Nr. 72 aus dem Jahr 2017 wichtig. Das Elektrizitätsgesetz hat den Markt von Grund auf reformiert und einen freien wirtschaftlichen Handlungsrahmen geschaffen.  Die neuen Rechtsvorschriften des Investitionsgesetzes enthalten dagegen einen Katalog an Schutzmaßnahmen für ausländische Investoren und steuerliche Förderungen. Parallel ist auch auf die Möglichkeit von öffentlich-privaten Partnerschaften hinzuweisen. Im Großen und Ganzen bieten binationale Konsortien und Kooperationen in jedem Fall den bestmöglichen Marktzugang zu Ägypten.

In der Vergangenheit konnten internationale Geberinstitutionen lokale Förderprogramme in Industrie und Gewerbe umsetzen. Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es derzeit für deutsche Unternehmen?

Die Finanzierungsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen im ägyptischen Markt sind vielseitig und auf das jeweilige Projekt teilweise abstimmbar. Beispielsweise ist die Egypt Sustainable Energy Financing Facility eine Kreditlinie an die ägyptische Nationalbank. Bis zu 30 Millionen US-Dollar vergibt sie dann an private Unternehmen, die in Energieeffizienz und erneuerbare Energie investieren. Der Sozialfonds für Entwicklung vergibt auch Kredite an KMU, um Energieeffizienz zu optimieren.

Für kleine Projekte bietet die Green Economy Financing Facility eine Vielzahl an Finanzierungs- und Beratungsmöglichkeiten. Diese Kreditlinie ist auf 140 Millionen Euro gedeckelt. Auch der Global Fund for Energy Efficiency and Renewable Energy (GEEREF) bietet Beteiligungskapital für Investitionen in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien an. Finanziert werden Darlehen und technische Hilfe. Schließlich finanziert eine Initiative der ägyptischen Zentralbank und der Emirates NBD die Förderung von KMU im Erneuerbare-Energien-Sektor. Hierbei geht es um Kredite zu günstigen Konditionen mit einer Zinsrate von 5 bis 7 Prozent.

Vom 06.12. bis 08.12.2021 findet eine virtuelle Informationsreise für Energieexperten aus Ägypten statt. Ziel der Veranstaltung ist es, der Delegation aus Ägypten einen möglichst umfassenden Überblick über den Status quo bei Produktion, Speicherung und Verteilung von grünem Wasserstoff in Deutschland zu geben und von der deutschen Wirtschaft entwickelte Praxisbeispiele zu erläutern.