Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands für Erneuerbare Energie e.V.

Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands für Erneuerbare Energie e.V.

© Simone Peter

Was versprechen Sie sich von der neuen Regierung, insbesondere im Hinblick auf Exportförderung?

Der Mittelstand ist für die deutsche Wirtschaft maßgeblich und zeichnet sich unter anderem durch seine internationale Ausrichtung aus. Rund die Hälfte der deutschen KMU ist derzeit auf ausländischen Märkten aktiv. Dies bietet hervorragende Bedingungen für eine verstärkte internationale Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien. Umso mehr setzt der BEE darauf, dass die neue Bundesregierung die Branche beim Erreichen ihrer exportbezogenen Geschäftsziele noch intensiver unterstützen wird, zum Beispiel in Form einer aktiveren politischen Flankierung energiewirtschaftlicher Projekte und Konsortialvorhaben im Ausland.

Wie wichtig sind Exporte für hiesige Hersteller geworden?

Die Marke „Made in Germany“ genießt im Kontext der Energiewende im Ausland trotz Rückschlägen hierzulande immer noch ein sehr hohes Ansehen. Deutschland wird als Vorreiter in der Entwicklung von innovativen Technologien, die die erneuerbare Energieerzeugung und Energieeffizienz fördern, in der Welt wahrgenommen. Angesichts des gewaltigen Handlungsbedarfs beim Klimaschutz und der damit einhergehenden Umstrukturierung des globalen Energiesystems auf erneuerbare Energien wird die deutsche Fachexpertise in diesen Bereichen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gefragter sein denn je. Wichtig ist aber, dass hierfür auch die Heimatmärkte wieder gestärkt werden. Sie sind und bleiben Schaufenster des Erfolgs.

Historisch betrachtet hat sich der BEE sehr mit der deutschen Politik beschäftigt (zum Beispiel beim EEG). Hat sich die zunehmende Verlagerung auf Exporte auf die Arbeit des BEEs ausgewirkt?

Der BEE hat seit jeher auch den europäischen Rahmen und die internationale Entwicklung im Blick gehabt. Unsere Abteilung für internationale Projekte beim BEE ist in den letzten Jahren aber aufgrund des wachsenden Stellenwerts inhaltlich sowie personell ausgebaut worden, sodass wir nun ein erheblich größeres internationales Projektvolumen stemmen. Unsere bestehenden grenzübergreifenden Projekte, vor allem der renommierte „Berlin Energy Transition Dialogue“, an dem alljährlich die führenden Köpfe der globalen Energiewelt teilnehmen, werden jedes Jahr ambitionierter und anspruchsvoller. Der BEE wird dadurch präsenter bei europapolitischen und internationalen Grundsatzdebatten zu Klima und Energie, zum Beispiel im Kontext des European Green Deal oder der Skalierung der internationalen Wasserstoffwirtschaft.

Geht es zunehmend auch um (IT-)Dienstleistungen statt Technologie-Produkte?

Die Schnittmengen zwischen digitalen und Erneuerbaren Technologien nehmen eindeutig zu. IT-Systeme werden in der nächsten Phase der Energiewende eine zentrale Rolle spielen, gerade auch im Zuge der Sektorenkopplung. Diese gehen weit über intelligente Stromzähler mit WLAN-Anschluss oder die Fernsteuerung von Heizungsanlagen über Mobiltelefone hinaus. Künstliche Intelligenz wird die Energiewende revolutionieren, wenn sie beispielsweise zur Vernetzung von Erzeugern, Verbrauchern und Stromspeichern im Energiesystem genutzt wird.

Welche Länder oder Regionen sind aus Ihrer heutigen Sicht für deutsche Unternehmen besonders attraktiv? Welche werden zukünftig stärker in den Fokus rücken?

Die Attraktivität richtet sich häufig nach der Art der Technologie – abhängig von den örtlichen Begebenheiten oder politischen Vorgaben. Aus Sicht des Dachverbands lässt sich aber sagen, dass Länder, in denen der Ausbau Erneuerbarer Energien einen ebenso hohen politischen Stellenwert hat wie internationale Kooperation, für unsere Branche besonders attraktiv sind. Aktuell richtet sich der Fokus sehr stark auf Länder, die sich bei der grünen Wasserstoffproduktion strategisch positionieren möchten, beispielsweise die Länder der MENA Region.

Zunehmend geht es nicht nur um Stromerzeugung, sondern um das Zusammenspiel aller Sektoren – Stichwort: Sektorenkopplung. Wie hat das die Erneuerbaren-Branche in Deutschland verändert bzw. welche Anpassungen stehen der Branche hier noch bevor?

Die Sektorenkopplung stellt eine große Chance für die nachhaltige Gestaltung des Energiesystems dar, da effiziente Technologien sektorübergreifend wirken – von Wärmepumpen über Elektromobilität bis hin zu Grünem Wasserstoff. Mit neuen Anreizen durch eine Reform des Strommarktdesigns und daraus abgeleiteter Reformen von Abgaben und Umlagen ergeben sich neue ökonomische Chancen und ein enormer Klimaschutznutzen. Die neue Bundesregierung hat dem im Koalitionsvertrag einen besonderen Stellenwert eingeräumt.

Die COP26 hat die allgemeinen Erwartungen vielleicht nicht ganz erfüllt. Welche Fortschritte würden Sie dennoch hervorheben?

Die beschlossene Kohlereduzierung („Coal Phase-Down“) ist nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung und er ist viel zu schwach, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen zu können. Es braucht einen konsequenten Ausstieg aus allen fossilen und atomaren Energieträgern und einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren in allen Sektoren, um die richtigen Anreize für Klimatechnologien zu setzen, aber auch mit Blick auf Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Denn schon heute sind die Erneuerbaren global kostengünstiger. Leider blieben auch die Finanzierungszusagen für Länder des Globalen Südens hinter den Erfordernissen zurück. Hier muss dringend nachgebessert werden.

Wie sehr haben die Corona-Pandemie und der damit verbundene Wegfall physischer Veranstaltungen wie z.B. Messen die Branche beeinträchtigt? Wie unterstützen Sie hier als Verband?

Sicherlich hat die Corona-bedingte Absage zahlreicher Branchentreffen wichtige direkte Kontakte unterbunden. Unseren Neujahrsempfang, bei dem sich alljährlich über 1000 hochrangige Vertreter und Vertreterinnen aus Industrie und Politik versammeln, müssen wir 2022 zum zweiten Mal in Folge absagen. Aber wir holen ihn im Sommer nach. Andere Veranstaltungen wurden ins Digitale verlegt. Das hat den Vorteil größerer Reichweite, was wir zum Beispiel beim Berlin Energy Transition Dialogue 2021 erlebten. Die Welt kam damit auch nochmals ein Stück näher. Wir haben unseren Werkzeugkasten für virtuelles Veranstaltungsmanagement während der Pandemie deutlich erweitert, und hier bestehen sicherlich auch zukünftig Möglichkeiten der Unterstützung durch die Exportinitiative. Denn wir werden noch länger global mit der Pandemie zu tun haben, so dass der Austausch weiterhin digital organisiert werden muss.