Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer

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Welche Rolle spielt der Export von Architekturdienstleistungen für deutsche Architekturbüros?

Der Export hat sich erst mit der globalisierten Weltlage seit den späten 90er Jahren entwickelt.
Im Jahr 2019 belief sich der Auslandsumsatz deutscher Architekturdienstleistungen auf 435 Millionen Euro Honorarvolumen, was ca. 4,3 Prozent des Gesamtumsatzes der Branche ausmacht. Bis zu 14 Prozent der großen Büros bringen ihre Dienstleistungen ins Ausland, bei den kleinen sind es nur 3-5 Prozent. Das hängt auch damit zusammen, dass aufgrund des erhöhten Aufwands und beispielsweise der Reisekosten nur größere Bauvolumen im Export profitabel sind.

Als Architekturstandort zeichnet Deutschland sich dadurch aus, dass die Leistungsphasen 1-9 des Baus planerisch begleitet werden. Das heißt, die Kompetenz der deutschen Unternehmen geht von der Idee bis zur Umsetzung - das hat für viele Bauherrinnen und Bauherren im Ausland einen großen Wert. Die Trennung zwischen Planen und Bauen verschwimmt hier etwas. In anderen Ländern gibt es dazu andere Herangehensweisen. Noch vollumfassender sind Projekte, die zusätzlich zum Gebäude auch die Stadtplanung und Landschaftsarchitektur miteinbeziehen und die gesamte Wertschöpfungskette Bau exportieren. Hierzu bietet es sich an, Konsortien aufzustellen zwischen Architekten, Bauingenieuren und Landschaftsarchitekten. Bei Quartieren gehört außerdem der Verkehrsplaner dazu und immer die Energie- und Wasserplanung.

Das trägt auch zur Nachhaltigkeit und Energieeffizienz bei?

Richtig. Eigentlich sind wir in allen Ländern mit der gleichen Fragestellung konfrontiert: Wie verhalten wir uns nachhaltig, dass wir kommenden Generationen nicht schaden? Die Baubranche ist für 40 Prozent des Energieverbrauchs, des Ausstoßes an CO2 und große Abfallmengen verantwortlich. Ein Umdenken wird immer notwendiger und wichtiger. In Deutschland haben wir den Vorteil, dass wir mit den Erfahrungen mit den Niedrigenergiehäusern einen sehr großen Schritt nach vorne gemacht haben und das auch gut exportieren können.

Die stadtplanerische Komponente trägt zu einer erhöhten Nachhaltigkeit bei. Deshalb sollte zu jedem Gebäude auch die Freianlage konzipiert werden müssen. Indem wir das Gesamtpaket bieten und diese Planungsleistung auch exportieren, können Hitzeinseln reduziert werden. Dächer und Fassaden werden begrünt um das Wasser zu halten und so in Stadtgebieten eine natürliche Kühlung zu ermöglichen. Dafür braucht man auch neue Wasser- und Pflegekonzepte, denn wenn die Grünflächen vertrocknen, nutzen sie gar nichts.

Von welchen Innovationen erwartet sich die Branche neue Dynamik?

Wir sind dabei, unser Portfolio extrem zu erweitern und die Nachhaltigkeit in der Planung noch stärker zu verankern. Im Ausland besteht speziell Interesse an dem hohen technischen Know-how und dem Innovationsgrad deutscher Planerinnen und Planer. In der heutigen Welt geht es darum, Ideen zu haben, wie wir einerseits Energie und Kosten sparen können und andererseits auch aus Dingen, die bereits da sind, etwas Besseres zu entwickeln - ganz nach dem Motto „Umbauen und weiterbauen statt abreißen und neu bauen“. Und als deutsche Architekturbranche müssen wir zeigen: Wir haben diese Ideen.

Im Umgang mit Ressourcen ist Deutschland bereits weit: Wir wissen genau, welche Baustoffe wie viel CO2 verschlingen. Da ist manchmal der Holzbau schlechter als Beton, wenn das betreffende Holz weit hergefahren wird. Es ist wichtig, dass wir uns hier auf die Fakten konzentrieren und keine Schlagwörter propagieren wie „Beton und Stahl sind immer schlecht“, „Holz und Lehm sind immer gut“. Man muss eben sehen, was man in den einzelnen Fällen wieder- oder weiterverwerten kann. Das ist eine komplexe Frage, und einfache Antworten auf komplexe Fragen sind oft falsch.

Das Bauen verursacht 40 Prozent der Treibhausgasemissionen, ist aber auch Teil der Lösung. Innovationen wie modulares Bauen oder digitale Steuerung von Gebäuden tragen zu dieser Überzeugung bei. Die Verwendung sortenreiner Materialien gewinnt zunehmend an Bedeutung, um eine Demontage und Mehrfachnutzung zu ermöglichen: Jeder Bau sollte ein urbanes Rohstofflager sein. Die bisherige Wegwerfkultur muss sich absolut ändern in der Zukunft. Auch die Idee, Gebäudepässe oder Logbücher zu führen, die bei Verkauf an den neuen Besitzer übergehen, sodass das Wissen über im Bau verwendete Materialien nicht verloren geht, steht im Raum.

Welche Märkte stehen für den Export besonders im Fokus der Unternehmen und warum?

Es gibt dazu keine amtliche Statistik, aber durch Befragungen unserer Kammermitglieder lassen sich gewisse Trends feststellen. Der EU-Raum - vor allem Westeuropa - hat den größten Anteil am Export deutscher Architekturdienstleistungen, und das wird vermutlich auch so bleiben.
Viele Architektinnen und Architekten sehen zudem Asien als nach wie vor sehr interessanten Markt. Vor allem China war lange ein großer Fokus aufgrund einer enormen Nachfrage. Aber auch Malaysia, Indonesien, Thailand, hier gibt es bereits ein paar Referenzprojekte von deutschen Architekturbüros, wie beispielsweise ein Niedrigenergiehaus, das Deutsche Haus in Ho Chi Minh City in Vietnam, das Maßstäbe für Energieeffizienz „made in Germany“ setzt und Standort des deutschen Generalkonsulats sowie anderer Unternehmen ist, – oder der geplante Siemens Healthineers Campus Bengaluru von Eller + Eller Architekten GmbH.

Siemens Healthineers Campus in Bengaluru

Das resiliente Gebäude des Siemens Healthineers Campus Bengaluru ist auf eine Lebensdauer von 100 Jahren ausgelegt. Die für den Betrieb benötigte Energie wird zu 100 % auf dem eigenen Grundstück aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Die gebäudeeigene Recyclinganlage und die Wiederverwendung von Grauwasser sind Teil der integrierten Kreislaufwirtschaft. Das Projekt war in der Kategorie „Best Futura Project“ als Finalist bei den MIPIM Awards 2022 nominiert.

© Eller + Eller Architekten

Die Arabischen Emirate sind große Auftraggeber mit noch vielen offenen Fragen und spannenden Entwicklungen. Auch in Afrika gibt es spannende Projekte, wie beispielsweise ein Kongresszentrum in Ruanda, das speziell an die örtlichen Bedingungen angepasst wurde. Ich denke aber, dass wir für die Zukunft auch noch in andere Richtungen schauen müssen, zum Beispiel ist Südamerika momentan noch kein großer Markt, aber es könnte in den Fokus rücken. Hier ist einerseits eine Fülle an Rohstoffen vorhanden, und andererseits stehen sie vor großen Herausforderungen: Wie setzen wir die vorhandenen Ressourcen am besten ein? Wie schaffen wir es mit der vorhandenen Energie auszukommen, und wie schaffen wir Orte, an denen Menschen sich wohlfühlen können?

Welche Unterstützung bietet die Bundesarchitektenkamme und ihr Netzwerk Architekturexport (NAX) exportinteressierten Architekturbüros?

Das NAX ist eine Initiative der Bundesarchitektenkammer, um den Planerinnen und Planern und besonders Export-Neueinsteigern bei dem Schritt ins Ausland zu helfen. Wir bieten dafür eine Reihe von Netzwerk-, Fortbildungs- und Fachveranstaltungen in physischen und digitalen Formaten an. Es geht außerdem auch viel um Wissenstransfer und Stärkung der Exportfähigkeit der Architektur- und Stadtplanungsbranche. Dafür betreiben wir eine Länder-Datenbank mit spezifischen Marktinformationen.

Teil des NAX ist außerdem eine Kontakt-Datenbank, in der man andere deutsche Architekten und Architektinnen, die in den gewünschten Regionen bereits aktiv sind, finden kann. Ähnlich zu den Geschäftsreisen der Exportinitiative Energie bieten wir Delegationsreisen und Messebeteiligungen an, um in der Geschäftsanbahnung zu unterstützen.

Zusammen mit der BAK betreibt das NAX die gebündelte Kontaktpflege zu Ministerien, der Politik und Institutionen wie der GTAI sowie den anderen international Beteiligten der Wertschöpfungskette Planen & Bauen und ermöglicht Architekturbüros den Zugang zu Verwaltung und Politik.