Sebastian Stolpp, Fachverband Biogas

Sebastian Stolpp, Fachverband Biogas

© Sebastian Stolpp, Fachverband Biogas

Wie ist die Situation für deutsche Unternehmen der Biogas-Branche?

In Deutschland sind die Zeiten des großen Wachstums vorbei. Seit der EEG-Novelle 2014 erleben wir eine Phase der Stagnation hinsichtlich der Anlagenzahl. Die Mehrzahl der Anlagen, die in den letzten Jahren gebaut wurden, sind Güllekleinanlagen mit einer maximalen Leistung von 75 kW. Das neue EEG ist grundsätzlich positiv zu bewerten, auch wenn es nach wie vor Probleme gibt, gerade beim Thema Anschlussförderung für Bestandsanlagen. Zudem gibt es Unsicherheiten bei der Ausschreibung, da bei der Unterschreitung der Volumina die teuersten 20 Prozent der Angebote keinen Zuschlag erhalten. Viele Anlagenbetreiber denken darüber nach, in Richtung Biogasaufbereitung zu gehen, v.a. um Kraftstoff aus Gülle und Reststoffen zu erzeugen. Hier hängt aber noch viel von der nationalen Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II ab. Für Neuanlagen gibt es ebenfalls Verbesserungen im neuen EEG, sodass der Bau von Neuanlagen vereinzelt wieder denkbar ist, v.a. von Abfallanlagen. Der Neubau von Güllekleinanlagen bleibt durch die Anhebung der Größengrenze von 75 auf 99 kW Bemessungsleistung attraktiv.

Wie sieht es weltweit aus?

Auf internationaler Ebene ist die Situation gänzlich anders. Weltweit steigt das Interesse an Biogas seit Jahren stetig an. Inzwischen beschäftigen sich sehr viele Länder mit dem Thema Biogas und entdecken ihre eigenen – teils riesigen – Potenziale. In vielen Ländern boomt die Biogasbranche und wenn diese Entwicklung anhält, werden noch weitere Länder hinzukommen. Dies kommt den deutschen Unternehmen entgegen, die seit dem Ende der Boomzeit auf dem heimischen Markt neue Absatzmärkte suchen und sich somit verstärkt Richtung Ausland orientieren. Viele von ihnen, ob Anlagen- oder Komponentenhersteller, erzielen inzwischen einen Großteil ihres Umsatzes im Ausland, manche sogar zu 100 Prozent. Deutschland ist somit für sie wirtschaftlich zum Nebenmarkt geworden. Beim Exportgeschäft profitieren die deutschen Unternehmen sehr stark davon, dass Deutschland nach wie vor Technologieführer ist, insbesondere im Hinblick auf Qualität, Verlässlichkeit, Innovation und Sicherheit.

Biogas

Deutsche Biogasanlagen haben in der Regel eine hohe Qualität

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Welche Märkte stehen aktuell besonders im Fokus der Unternehmen? Lässt sich da ein Trend erkennen?

Die größten Biogasmärkte befinden sich nach wie vor in Europa. Frankreich, Italien und Großbritannien sind bereits sehr gut entwickelte Märkte, die auch noch weiter wachsen werden. Hier sind deutsche Unternehmen seit vielen Jahren aktiv. Schweden und Dänemark sind ebenfalls schon etabliert, jedoch nicht ganz so zugänglich für ausländische Unternehmen. Dazu kommen noch Belgien und die Niederlande. All diese Länder haben bereits lokale Unternehmen hervorgebracht, d.h. die lokale Konkurrenz steigt an. Aufstrebende Länder sind hauptsächlich in Ost- und Südosteuropa zu finden mit Polen, Serbien, Türkei oder Griechenland. Hier gibt es vielversprechende Entwicklungen, die aber z.T. durch die Corona-Pandemie ausgebremst wurden.

Außerhalb Europas sind die USA und Kanada für viele Unternehmen wichtige Märkte. Diese bieten auch noch großes Entwicklungspotenzial. In Asien gibt es viele Länder, die bereits im Fokus der Unternehmen stehen. In China wächst der Biogasmarkt angetrieben durch die hohen Entwicklungsziele der chinesischen Regierung. Indien hat ebenfalls hohe Ziele, v.a. für CBG (compressed biogas), allerdings scheitert es noch an der Umsetzung, sodass der Markt nur langsam in Fahrt kommt. Im südostasiatischen Raum gibt es einige Länder, in denen Biogas bereits eine Rolle spielt wie z.B. Japan und Thailand und Länder, die im Moment vor allem durch die Verwertung von Reststoffen aus der Palmölproduktion (Malaysia, Indonesien) oder von Fruchtresten (Philippinen, Südkorea) auf großen Plantagen an Bedeutung gewinnen. In Lateinamerika sind in erster Linie die großen Länder interessant für deutsche Biogasunternehmen. Argentinien und Brasilien bieten Möglichkeiten in der Zuckerindustrie, Ethanolproduktion oder der Landwirtschaft bzw. Tierzucht. Der afrikanische Kontinent bleibt schwierig. Bis auf Südafrika gibt es keinen wirklichen Biogasmarkt.

Welche innovativen Projekte sind kürzlich umgesetzt worden?

Grundsätzlich gibt es in allen Bereichen der deutschen Biogasbranche Innovationen, die auch im Ausland eingesetzt werden. Ein Beispiel ist die Vergärung von Reststoffen wie Stroh und zellulosehaltige Reststoffen. Diese waren in der Vergangenheit nicht leicht zu handhaben und eröffnen der Biogasbranche eine Erweiterung des Einsatzbereichs und größere Wirtschaftlichkeit. Mit innovativen Methoden in der Gärproduktaufbereitung können die Gärprodukte umweltfreundlicher gemanagt werden, Transportkosten reduziert und neue Vermarktungsmöglichkeiten erschlossen werden. Weitere Innovationen sind die Abscheidung von CO2 in der Biogasaufbereitung und die stoffliche Nutzung des abgeschiedenen CO2, die Prozessoptimierung durch Zugabe von Zuschlagstoffen und die Entwicklung von kleinen Biogasaufbereitungsanlagen. Der Verkauf von CO2-Zertifikaten ist außerdem ein innovativer Weg zur Finanzierung von Biogasanlagen. Im Fachverband Biogas gehen wir davon aus, dass hierin großes Potenzial für Biogas in der Zukunft besteht.

Deutsche Unternehmen der Biogas-Branche können auch in Zeiten von Corona exportieren

Deutsche Unternehmen der Biogas-Branche können auch in Zeiten von Corona exportieren

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Vor welchen Herausforderungen steht die Branche?

In Deutschland ist die größte Herausforderung, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Anlagenbestand zu erhalten und einen gewissen Anlagenneubau zu ermöglichen. Zudem gilt es den immer höheren und komplexeren gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, vor allem in den Bereichen Immissionsschutz, Anlagensicherheit und Düngung. Dies stellt viele Anlagenbetreiber vor Probleme. Darüber hinaus gilt es, die Digitalisierung und Automatisierung weiter voranzutreiben, gerade im Hinblick auf den flexiblen Betrieb der Anlagen. Ein funktionierender heimischer Markt, auf dem zudem Forschung und Entwicklung vorangetrieben werden, ist für die deutschen Firmen auch wichtig, um im internationalen Wettbewerb weiterhin führend zu sein.

Im internationalen Kontext sind die Herausforderungen vielfältiger. Die vielleicht größte Herausforderung ist, dass in vielen Ländern kein ausreichendes Biogas-Know-how vorhanden ist und damit die Möglichkeiten und Funktionsweise von Biogas nicht verstanden werden. Ebenso fehlt es oft an qualifiziertem Personal für den Anlagenbetrieb. Biogas hat eine höhere technische und auch wirtschaftliche Komplexität als z.B. Photovoltaik. Planung, Bau und der Betrieb der Anlagen sind daher deutlich anspruchsvoller. All dies führt auch dazu, dass es für lokale Banken schwer ist, Investitionen in Biogasanlagen richtig einzuschätzen und das Risiko zu bewerten.

Viele Biogas-Unternehmen sind schon lange im Exportgeschäft. Wie sieht die derzeitige Situation bedingt durch die Corona-Pandemie aus?

Die Nachfrage nach Biogastechnologie aus Deutschland ist nach wie vor gut, auch wenn diese 2020 zeitweise rückläufig war. Da nun weltweit Veranstaltungen virtuell stattfinden, wie auch bei der Exportinitiative Energie, können die Firmen in kurzer Zeit an vielen Veranstaltungen teilnehmen und viele Meetings durchführen. Dies war in der Zeit vor der Corona-Pandemie mit deutlich mehr Kosten und Zeit verbunden. Gerade um sich einen Ersteindruck von neuen Märkten zu verschaffen, bieten die neuen virtuellen Möglichkeiten eine große Chance. Auch für die Geschäftsanbahnung ist dies ein großer Vorteil. Allerdings hört man aus der Branche immer wieder, dass dadurch zwar die Kontaktaufnahme leichter geworden ist, es gleichzeitig aber deutlich schwerer geworden ist, mit potenziellen Kunden bis zum Vertragsabschluss zu gelangen. Hier sind physische Treffen und der damit verbundene Aufbau eines Vertrauensverhältnisses nicht zu ersetzen.

Was raten Sie deutschen Biogas-Unternehmen, die exportieren möchten?

Für die Marktrecherche und Geschäftsanbahnung kann ich jedem Unternehmen die Angebote der Exportinitiative Energie empfehlen. Durch die Publikationen und Veranstaltungen bekommt man einen guten Überblick über verschiedene Länder und kann erste Kontakte knüpfen. Allgemein ist für Anlagenhersteller die Zusammenarbeit mit starken lokalen Partnern sehr wichtig, dazu auch der Aufbau einer eigenen lokalen Präsenz. Gerade starke Partner, die lokale Expertise haben und es gewohnt sind, unter lokalen Bedingungen Industrieanlagen zu bauen und zu betreiben, können einem Unternehmen sehr weiterhelfen. Für Komponentenhersteller kann es ein großer Vorteil sein, wenn der Partner bereits über ein bestehendes Vertriebsnetz verfügt. Entscheidend für den Erfolg von Anlagenbauern ist auch die Entwicklung einer langfristigen Geschäftsstrategie sowie die Fokussierung auf wenige Länder. Geduld und Durchhaltevermögen sind vor allem auf neuen Märkten gefragt. Nicht zuletzt spielt auch die interkulturelle Kompetenz eine große Rolle. Diese benötigt man schon in unseren Nachbarländern und ist in den nicht-westlichen Ländern selbstredend noch wichtiger. In so gut wie allen Ländern ist der Aufbau einer persönlichen Beziehung viel wichtiger als in Deutschland und entscheidet mit über den Erfolg.