Juliane Hinsch, Geschäftsführerin des Deutschen Industrieverbandes Concentrated Solar Power

Juliane Hinsch, Geschäftsführerin des Deutschen Industrieverbandes Concentrated Solar Power (DCSP)

Der DCSP hat eine neue Studie zu Concentrated Solar Power (CSP) herausgebracht, die vom BMWi mitfinanziert wurde. Wieso ist es gerade jetzt so wichtig, für diese Technologie mehr Aufmerksamkeit zu schaffen?

Die Vorteile und Vorzüge der konzentrierenden Solarthermie sind noch viel zu wenig bekannt. Hinzu kommt, dass sich in den zurückliegenden Jahren die Kosten für den Einsatz von CSP erheblich gesenkt haben und auch der technische Fortschritt bemerkenswert ist. Sowohl bei der Strom- als auch bei der Wärmeerzeugung eröffnen sich hier ganz neue Möglichkeiten und Einsatzfelder. Deshalb ist es gerade jetzt so wichtig, das gesamte Leistungsspektrum der konzentrierenden Solarthermie abzubilden. Mit der Studie wollen wir genau das erreichen.

Wie ist die deutsche Branche derzeit aufgestellt? Welche Herausforderungen gibt es?

Es ist eine kleine, aber feine Branche. Deutsche Firmen und Forschungsunternehmen haben wesentlich dazu beigetragen, die Entwicklung der CSP voranzutreiben. Vor einigen Jahren hatte die Branche ihre erste Blüte, hatte dann aber das Nachsehen im Vergleich zur PV-Technologie, die zunächst günstiger, schneller zu produzieren und zu installieren war. Die CSP-Branche hat ein großes Potenzial und großen Nachholbedarf.

Die Weltbank und IRENA haben kürzlich dazu eine Studie veröffentlicht, in der die große Relevanz der CSP-Technologie für eine stabile, kostengünstige und erneuerbare Stromversorgung 24/7 bestätigt wird. Zusätzlich kam ein Bericht der IEA, die in ihrem Szenario für „Net Zero by 2050“ auf sehr hohe Zuwachsraten der CSP setzt.

Derzeit gibt es weltweit 6 GW installierte Leistung. Die Studie der IEA zeigt auf, dass bis 2030 73 GW CSP installiert werden sollen - die 12-fache Leistung innerhalb von neun Jahren. Der Bau eines CSP-Kraftwerkes dauert vergleichsweise lange. Es muss geplant, ausgeschrieben und gebaut werden. Die große Herausforderung ist also das Timing.

Wo sehen Sie die neuen Möglichkeiten und Einsatzfelder?

Die konzentrierende Solarthermie ist an sich eine etablierte und ausgereifte Technologie. Allerdings kommt sie bisher hauptsächlich in sonnenreichen Gegenden zur Stromerzeugung zum Einsatz. Die Technologie kann aber mehr! Sie kann einen entscheidenden Beitrag zur Wärmeversorgung leisten, denn CSP erzeugt in erste Linie Wärme. Diese kann natürlich verstromt werden, aber auch direkt genutzt werden. Dank Kostendegressionen in den letzten Jahren und technischem Fortschritt ist das mittlerweile auch in unseren Breitengraden kosteneffizient möglich - sprich in Mitteleuropa und in Deutschland.

Durch CSP-Anlagen kann Wärme zur Versorgung von Nah- und Fernwärmenetzen und Prozesswärme für die Industrie eingesetzt werden. Das Besondere sind dabei die hohen Temperaturen, die erzeugt werden können, die regelbar zwischen 50 und 500 Grad liegen.

Gibt es noch weitere Vorteile?

Ja, einen sehr großen sogar: CSP-Anlagen können Wärme speichern. Integrierte Wärmespeicher in den Anlagen ermöglichen es, die Wärme kostengünstig aufzunehmen und somit die fluktuierenden erneuerbaren Quellen wie PV oder Wind zu ergänzen. Mit dieser kostengünstigen Alternative schaffen wir es, eine grundlastfähige Energie bereitzustellen. Die Speicherung von Wärme im Vergleich zur Speicherung von Strom ist weitaus kostengünstiger, technisch einfacher und schont dazu noch Ressourcen. Wenn wir von thermischen Speichern bei Solarkraftwerken sprechen, dann sind meist Speicher gemeint, in denen erwärmtes Flüssigsalz gespeichert wird. Bei der Wärmebereitstellung kommen saisonale Speicher wie Wasserbecken zum Einsatz. Es wird daran gearbeitet, noch andere Substanzen zu nutzen, die lokal und günstig und nachhaltig vorhanden sind. Das ist ein wesentlicher Vorteil.

Inwiefern kann CSP für die Herstellung von grünem Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen? Und wo liegen hier die Potenziale?

Das ist momentan ein großes Thema. CSP kann einen wichtigen Beitrag leisten, weil sie eben Strom und Wärme liefert. Der Schlüssel sind Hybridkraftwerke. PV- und Windanlagen können durch eine integrierte CSP-Anlage optimal ergänzt werden. So wird eine kontinuierliche Bereitstellung von Strom ermöglicht, die für eine hohe Auslastung der Elektrolyse sorgt. Die Zukunft liegt im Bereich der Wasserstoffherstellung durch CSP vor allem in der Hochtemperatur-Elektrolyse. Die Wärme aus der CSP-Anlage kann direkt für die Hochtemperatur-Elektrolyse genutzt werden und braucht dafür weniger Strom. Auch für die Herstellung von Derivaten wie Ammoniak oder Methanol wird Wärme benötigt und die kommt direkt aus dem CSP-Kraftwerk.

Welche Märkte stehen für den Export besonders im Fokus der deutschen Unternehmen? Lässt sich ein Trend erkennen?

Durch den Wärmebereich kommen für die Branche ganz neue Märkte ins Spiel - nämlich in Mitteleuropa. Die Niederlande planen derzeit eine Förderrichtlinie für CSP. Auch in Belgien steigt die Nachfrage. Malta möchte als erstes EU-Land klimaneutral werden und setzt dabei ebenfalls auf CSP. Dänemark setzt in bemerkenswertem Umfang bereits CSP für die Nahwärmenetze ein.

Wenn es um die Stromerzeugung geht, sind die sonnenreichen Gebiete interessant, vor allem Südeuropa und die MENA-Region. Das sind aktuell auch die Regionen, in denen die meisten Kapazitäten installiert sind und die aufgrund der geographischen Nähe auch für die Wasserstofferzeugung mit Import nach Deutschland geeignet sind.

Australien und Lateinamerika sind ebenfalls interessante Märkte. Im südlichen Afrika ist gerade wieder Bewegung. Saudi-Arabien hat CSP explizit im Programm der Renewables-Strategie für die nächsten Jahre. Da ergeben sich gute Chancen für deutsche Unternehmen.

Welche innovativen Projekte sind derzeit in Planung oder Umsetzung?

In Marokko soll das erste integrierte Hybrid-Kraftwerk entstehen. Dadurch wird eine nachhaltige stabile Energieversorgung aufgebaut. Derzeit ist das Projekt von marokkanischer Seite ins Stocken geraten, aber wir hoffen sehr, dass es zeitnah wirklich umgesetzt wird. Es wäre ein tolles Vorzeigeprojekt.

Im Bereich Wasserstoff ist gerade ein spannendes Projekt in Tunesien in der Planung. Solche Projekte sind wichtig, um das Thema voranzubringen. Die Unterstützung bei der Konsortialbildung durch die Exportinitiative Energie ist hier sehr wertvoll. Insbesondere, weil die Branchen Wasserstoff und CSP zusammengeführt werden.

Was empfehlen Sie der deutschen Branche und was muss jetzt politisch geschehen?

Mein Aufruf richtet sich an Entscheidungsträger in Politik und Administration, die Rahmenbedingungen schaffen, fördern und Projekte ausschreiben. Es muss jetzt dringend gehandelt werden, es müssen Projekte für CSP initiiert werden, wenn wir bis 2030 wesentliche Meilensteine im Klimaschutz erreichen wollen. Die CSP-Branche steht bereit!