Alexander Sicking von der Delegation der Deutschen Wirtschaft Ghana berichtet im Gespräch mit Carolin Wilewski von der Exportinitiative Energie über die neuesten Marktentwicklungen

Alexander Sicking von der Delegation der Deutschen Wirtschaft Ghana erklärt im Gespräch, warum der westafrikanische Markt so vielversprechend ist

© Delegation der Deutschen Wirtschaft Ghana

Der Experte erklärt, was sich in den letzten Jahren getan hat, warum der westafrikanische Markt für deutsche Unternehmen attraktiv ist und welche wichtige Rolle Referenzprojekte wie die des RES-Programms der Exportinitiative Energie spielen.

Die Initiative G20-Compact with Africa wurde 2017 unter deutscher G20-Präsidentschaft ins Leben gerufen. Es sollten vor allem Rahmenbedingungen für Privatinvestitionen und Infrastruktur sowie Beschäftigungsmöglichkeiten verbessert werden. Was hat sich bis heute getan?

Seit Beginn der Initiative sind gerade aus der westafrikanischen Region viele Regierungspartnerschaften hervorgegangen. Neben der Côte d´Ivoire und Ghana konnte zuletzt im Mai dieses Jahres auch die Reformpartnerschaft zwischen Togo und Deutschland verkündet werden. Dies zeigt das anhaltende Interesse an dieser Initiative und unterstreicht den Erfolg dieses Kooperationsmodells, bei dem sich die Länder auf Augenhöhe treffen und in ausgewählten Bereich zusammenarbeiten wollen.

Im Rahmen der Reformpartnerschaften wird die Privatwirtschaft als wichtiger Partner für die Umsetzung von Investitionsprojekten integriert. Viele Ökonomien in Westafrika verzeichnen unter anderem basierend auf diesen Reformen seit Jahren nachhaltig hohe Wachstumsraten. Wichtige Anlaufstellen für ausländische Investoren sind die nationalen Investment Promotion Centres. Diese bieten wichtige Beratung für die regulatorischen Standards in den unterschiedlichen Märkten, fördern Investitionen durch eine umfangreiche Auswahl an Anreizmöglichkeiten und bündeln selbst diverse Kompetenzen im Prozess der Unternehmensregistrierung ausländischer Investoren.

Welches Potenzial bietet das für deutsche Unternehmen?

Einige westafrikanische Staaten, insbesondere Ghana, verfolgen zudem Industrialisierungsstrategien mit weitreichenden Aussichten zur Steigerung der Beschäftigungschancen. Die Fokusbranchen reichen von der Automobilindustrie bis zur Verarbeitung von Lebensmitteln. Die Côte d´Ivoire und Ghana sind die weltweit größten Exporteure von Kakaobohnen. Die Förderung der Verarbeitung in Westafrika bietet Chancen für die lokale Wirtschaft, aber auch für deutsche Unternehmen, die beim Aufbau von nachhaltigen Wirtschaftsketten unterstützen. Gleichzeitig benötigt die stärker werdende Industrie auch neue Energielösungen und begründet eine steigende Nachfrage nach deutscher Technologie.

Wie wichtig ist die Umsetzung von Referenzprojekten vor Ort? Was macht ein Referenzprojekt auf dem westafrikanischen Markt überhaupt aus?

Referenzprojekte sind auch auf den westafrikanischen Märkten wichtig. Genau wie in anderen Märkten regen sie die Neugierde der potenziellen Kunden an und stärken die Bekanntheit eines Unternehmens, das sich als innovativ von der Konkurrenz abheben kann. Referenzprojekte dienen dazu Entscheidungsträger, aber durchaus auch die allgemeine Bevölkerung von den Vorteilen neuer Technologien zu überzeugen. Es kann sich für Anbieter komplexer Technologien oder innovativer Prozesse auf lange Sicht lohnen, in Leuchtturmprojekte zu investieren und anhand dieser die Erfolgsstory zum Anfassen oder Anschauen zu vermitteln.

Aber auch für die Weiterentwicklung von Produkten mit lokalen Angestellten oder Kunden eignet sich ein solches Vorgehen. Die eigenen Mitarbeiter können zudem erste wichtige Erfahrungen im Aufbau und der Wartung von Anlagen sammeln und diese in den weiteren Vertriebskontakten anwenden und mit umfassender Erfahrung glänzen.

Die deutsche Firma MaxxSolar hat im Rahmen des RES-Programms der Exportinitiative Energie bspw. ein Referenzprojekt in Togo verwirklicht. Dieses vereint Technologie und Ausbildung – ein potenzielles Erfolgsrezept für Westafrika?

Für deutsche Technologieanbieter ist es wichtig, den westafrikanischen Markt nicht nur als Absatzmarkt für in Europa entwickelte oder produzierte Güter zu sehen. Schon vor dem Markteintritt müssen auch Ideen entwickelt werden, wie Güter und Produkte vertrieben und in Stand gehalten oder repariert und entsorgt werden können, ohne negative Konsequenzen bei den Kunden oder in der Umwelt zu hinterlassen. Von daher ist es essenziell, auch die lokalen Mitarbeitenden in die Markteinstiegsstrategie zu integrieren. Die Aus- und Weiterbildung von lokalem Personal ist elementar für den nachhaltigen Unternehmenserfolg. Das zeigte sich nicht nur, aber insbesondere in Zeiten der Reisebeschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie. Zudem können die lokalen Mitarbeitenden dabei helfen, eine in Europa entwickelte Technologie auf die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Die Delegation der Deutschen Wirtschaft in Ghana unterstützt deutsche Unternehmen bei einem solchen Ansatz. Vor allem das Kompetenzzentrum für Aus- und Weiterbildung arbeitet mit wichtigen Stakeholdern in Ghana und deutschen Partnern an der Implementierung von Aktivitäten in dem Bereich.

Projektdaten im Überblick

Wie stark ist die Wirtschaft in den Ländern Westafrikas von der COVID-Pandemie betroffen?

Corona hat die Länder Westafrikas ganz unterschiedlich getroffen. Insbesondere export- und rohstoffbasierte Ökonomien mussten gleich mehreren Herausforderungen begegnen. So fielen besonders zu Beginn des Ausbruchs der Coronapandemie die Weltmarktpreise für fossile Energieträger, was einen starken Einfluss auf westafrikanische ölexportierende Länder, ihre Staatshaushalte und Währungen hatte. Wie in Europa kamen dazu noch Reise-Restriktionen, die sowohl dem internationalen Handel, aber auch dem Tourismus geschadet haben.
Dennoch kommt es nicht zu ökonomischen Worst-Case-Szenarien. Die Anpassungsfähigkeit der jungen, gut ausgebildeten Gesellschaften der Region und das daraus resultierende Potenzial für Innovationen sind nicht zu unterschätzen.

Mit dem weiteren Ausbau der Freihandelszonen auf dem afrikanischen Kontinent bietet sich zudem ein wachsendes ökonomisches Potenzial. Nicht nur in Westafrika nähern sich die Märkte immer weiter an. So beabsichtigen die westafrikanischen ECOWAS Staaten bis zum Jahr 2027 mit dem Eco eine eigene Einheitswährung, die den Handel erleichtern soll. Im Jahr 2020 wurde zudem das Sekretariat der African Continental Free Trade Area (AfCFTA) in Accra, der Hauptstadt Ghanas, eröffnet. Mit 54 teilnehmenden afrikanischen Staaten wird beabsichtigt, die – gemessen an den Einwohnern – größte Freihandelszone der Welt zu gründen. Das ist ein Vorhaben, das die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas nachhaltig positiv beeinflussen wird.

Welche Branchen im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz haben das größte Potenzial für deutsche Unternehmen?

Große Potenziale bieten sich weiterhin in der Energieversorgung für die wachsende Industrienachfrage. Aber auch private Endkunden und Agrarunternehmen in Westafrika steigern die Nachfrage nach günstigen und sauberen Stromlösungen. Anbieter von Energienetzlösungen können von der Modernisierung nationaler Energienetze profitieren sowie von der Integration ebendieser zu dem West African Power Pool (WAPP). Die wachsenden Bevölkerungszahlen und der Trend zu Urbanisierung führen zudem zu einem Anstieg der Nachfrage in der Bauwirtschaft in fast allen westafrikanischen Staaten.

Eine Branche mit sehr großem Potenzial in Westafrika ist die Automobilindustrie. Sowohl Volkswagen als auch Toyota haben ihre westafrikanischen Werke in Ghana errichtet. Diese ziehen Investitionen im Bereich der Zulieferindustrie nach sich. Auch Bosch ist bereits in Ghana aktiv und wird absehbar von dem Branchenwachstum profitieren. Neben der Automobilbranche werden auch in anderen Mobilitätssektoren Investitionen erwartet. So sollen der urbane und der interurbane Bahnverkehr sowie der maritime Verkehr ausgebaut werden. Daneben gelten die Gesundheitsmärkte und Agrarverarbeitungsmärkte als mittelfristig wachsende Märkte in Westafrika.