Karina Würtz und Björn Zindler von der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE

Karina Würtz und Björn Zindler von der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE

Welchen Beitrag kann Offshore Wind für die Energiewende in Deutschland leisten?

Die Offshore-Windenergie ist die Erneuerbare-Energien-Form, die am ehesten grundlastfähig ist. Das Potenzial liegt insbesondere in der Kombination mit anderen erneuerbaren Energien sowie Speichertechnologien.
Außerdem kann man durch Offshore-Windenergie mit einer überschaubaren Anzahl von Bauvorhaben und Netzanschlüssen sehr viel Leistung hinzubauen. Exemplarisch kann hier der Offshore-Windpark vor Helgoland genannt werden. In den Jahren bis 2015 wurde hier ein Kernkraftwerk-Äquivalent an Leistung aufgebaut. Diese enormen Leistungen werden auch zukünftig verstärkt benötigt. Aufgrund der Elektrifizierung des Verkehrssektors und dem hohen Strombedarf in der Industrie wird die Stromnachfrage in den kommenden Jahrzehnten deutlich steigen. Vor allem auch die Herstellung von grünem Wasserstoff fällt hier ins Gewicht.

Wie ist die aktuelle Situation auf dem deutschen Offshore-Windenergie-Markt?

Aufgrund der Ausbauunterbrechung von Windenergieanlagen auf See bis 2022, stehen einige Unternehmen in Deutschland heute unter einem hohen Existenzrisiko. Einige Subbranchen und Unternehmen befinden sich deshalb in einem Neustrukturierungsprozess. Es besteht die Gefahr, dass diese Unternehmen in andere Branchen abwandern und mit ihnen bedeutendes Know-how. Somit könnten sie für den zukünftigen Ausbau der Offshore-Windenergie in den kommenden Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Herausforderung besteht also heute darin, die Expertise in der Branche zu halten.

Welche Rolle nimmt die Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE ein?

Neben der politischen Beratung staatlicher Gesetzesvorhaben wirkt die Stiftung an langfristigen Technologieinnovationen sowie der Begleitforschung rund um die Effekte des Offshore-Windenergie-Ausbaus mit. Dies können Effekte der Netzführung, des Artenschutzes oder der Ökologieveränderung sein. Zudem ist die Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE eine Austausch- und Wissensvermittlungsplattform - nicht nur für Fachpublikum, sondern auch für die breite Öffentlichkeit. Die Vernetzung von Fachexperten unterschiedlicher Branchen sowie das Wirken in Schulen und Bildungseinrichtungen gehört zu unseren Aufgaben.

Welche internationalen Märkte und Regionen eigenen sich besonders gut für den Export von Offshore-Windenergie-Technologien „Made in Germany“?

Grundsätzlich braucht das jeweilige Zielland zunächst einmal eine Küstenlinie, wodurch sich zum Beispiel Inseln oder Länder mit langen und weitläufigen Küstenlinien als spannende Offshore-Märkte herausgestellt haben. Perspektivisch müsste ein Land jedoch nicht zwangsläufig über einen Zugang zum Ozean verfügen. So könnten im Prinzip auch Länder am Schwarzen Meer als Standort für die Offshore-Windbranche interessant werden. Die zweite relevante Voraussetzung ist der regulatorische und gesetzgebende Rahmen im Zielland. Hierbei spielt die Etablierung eines Förder-, Vergütungs- und Kompensationsregimes eine zentrale Rolle.

Als dritte Bedingung muss der Marktzugang für auswärtige Unternehmen gewährleitstet sein. Es hat sich gezeigt, dass es in einigen Ländern Eintrittsschwellen gibt, die es deutschen KMU nicht einfach machen, Fuß zu fassen. Deshalb ist es wichtig, dass wir die German Offshore-Wind Initiative (GOI) ins Leben gerufen haben, um KMU in den ausländischen Märkten zu unterstützen. Das GOI Projekt wurde gemeinsam mit dem mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und dem World Forum Offshore Wind (WFO) initiiert und ist dieses Jahr gestartet. Die Zielländer sind die USA, Taiwan und Japan, sie wurden auf Basis einer umfassenden Potenzialumfrage des WFO ausgewählt. Zur aktiven und praktischen Unterstützung für den Markteintritt helfen ab sofort in jedem der drei Zielmärkte Repräsentanten vor Ort bei der Vernetzung und Auftragsgewinnung. Die Repräsentanten werden dabei durch eine umfassende Exportmarktanalyse der deutschen Offshore-Windenergie Branche unterstützt, die unter anderem ein zielgerichtetes Angebot ermöglicht. Ein weiterer Eckpfeiler der Initiative sind verschiedene Networking-Formate sowie zwei größere Fachveranstaltungen in jedem Zielmarkt.

Welche technologischen Neuentwicklungen könnten der Branche neuen Aufschwung bringen?

Power-to-X Technologien, unter anderem zur Erzeugung von grünem Wasserstoff sind in der Branche aktuell stark diskutiert und haben großes Potenzial, ihr neuen Aufschwung zu verleihen. Aktuell befinden wir uns noch in frühen Projektentwicklungsphasen aber wir sehen, dass erste Elektrolyseure beispielsweise im Onshore-Windbereich bereits in Betrieb sind und dort erfolgreich getestet werden. In diesem Bereich verfügen deutsche Unternehmen über Know-how, woraus sich die Entwicklung der Technologien in den kommenden Jahren speisen kann.

Ein weiteres wichtiges Innovationsfeld sind Floating-Offshore-Windanlagen. In diesem Bereich erwarten wir in den kommenden Jahren viele Pilotprojekte und Innovationen, die die Grenzen des bisher Machbaren im Offshore-Bereich deutlich verschieben und zu einem Paradigmenwechsel beitragen werden. Auch die Digitalisierung wird erhebliche Veränderungen und Innovationen mit sich bringen, insbesondere in der Anlagensteuerung sowie bei den Service-Dienstleistungen. Ebenfalls wird das Thema Unterwasserrobotik in den späten 2020er Jahren an Bedeutung gewinnen. Hier sehen wir insbesondere mit Blick auf Wartungstätigkeiten erhebliche Innovationspotenziale.

Eine besonders bedeutsame und wirklich brandaktuelle Innovation aus der Branche ist die Entwicklung von recyclebaren Rotorblättern. Der bisher aufwändige und schwierige Recyclingprozess wurde in der Vergangenheit immer wieder von Windenergiegegnern kritisiert. Durch neue Verfahren lassen sich die Komponenten durch neu zusammengesetzte Harze im späteren Recyclingprozess von anderen Komponenten wieder lösen. Rund um diese Entwicklung wird sich Einiges bewegen und eine ganz eigene Industrie bilden, insbesondere mit Blick auf den Rückbau von Altanlagen in den kommenden Jahren.

Was stimmt Sie optimistisch, dass Offshore-Windenergie in den kommenden Jahren national wie international einen neuen Aufschwung erfährt und was muss hierfür passieren?

Was die aktuelle Entwicklung im Offshore-Wind-Sektor in Deutschland antreibt, ist die politische Vorgabe, 20 GW bis 2030 und 40 GW bis 2040 an Offshore-Windenergie zuzubauen. Diese Ausbauziele sind enorm. Und wir glauben nicht, dass es bei der Installation dieser 40 GW bleiben wird. Mit Blick auf den letzten IPCC Bericht wissen wir, dass die Anstrengungen massiv beschleunigt werden müssen. Wir sind uns sicher, dass mindestens 60 GW machbar sind. Studien, die die Nachfrageentwicklung nach Offshore-Strom untersucht haben, sprechen sogar von einem notwendigen Zubau von 70 GW bis 2040. Das zu stemmen, auch mit Blick auf die Herausforderungen des Netzausbaus, wird eine Mehrgenerationenaufgabe werden. Hier kann, will und wird die Offshore-Windenergie einen wesentlichen Beitrag leisten.