Teilnehmer bei der Fachveranstaltung 2022

© Geschäftsstelle der Exportinitiave Energie

„Wir werden die Markthochläufe früher als gedacht erleben“, sagte Staatssekretär Dr. Patrick Graichen in seiner Eröffnungsrede am Donnerstag, 15. September 2022 in Berlin. Es war die erste rein physische Fachveranstaltung der Exportinitiative Energie seit 2019. Gekommen sind rund 130 Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die sich vernetzen und ihre Expertise zum Thema grüner Wasserstoff teilen wollten. Laut Graichen bewegt sich der entstehende Markt so schnell, dass das Ministerium gerade seine eigenen Szenarien überarbeitet: „Es wird bereits 2030 höhere Verbräuche geben.“

Prof. Dr. Detlef Stolten vom Forschungszentrum Jülich hatte aktuelle Zahlen aus seiner Modellierung dabei: Bis 2045 würden 5,5 Millionen Tonnen H2 inländisch erzeugt. Weitere 4,9 Millionen Tonnen müssten importiert werden. „Bei einem Energiebedarf von insgesamt 1.400 TWh hätte die Bundesrepublik dann rund 400 TWh aus Wasserstoff.“ Der Energieverbrauch hierzulande wäre zu rund 70% durch Strom gedeckt und zu 30% aus Wasserstoff, wovon knapp die Hälfte importiert wäre. Stolten nannte mehrere Gründe für den Importbedarf:

  • günstigeren erneuerbaren Strom im Ausland, der für die Elektrolyse verwendet wird,
  • Akzeptanzprobleme, wenn mehr erneuerbare Energie-Anlagen in Deutschland zur H2-Erzeugung gebaut werden müssten, und
  • Flauten – global weht der Wind und scheint die Sonne steter.

Und als kleine, positive Nebenwirkung fügte Stolten hinzu: „Die Anzahl der Länder, die grünen H2 exportieren können, ist weitaus größer als die Zahl der fossilen Exporteure.“

Auch für Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes (DWV), ist die Geopolitik ein Vorteil bei grünem Wasserstoff. Man könne leichter auf andere Länder zurückgreifen, wenn Lieferungen aus einem Land ausblieben. Diwald betont, dass die Elektrifizierung im Mittelpunkt steht: „Wir kommen aus einer molekularen Energiewelt und gehen in eine Elektronenwelt hinein.“ Trotzdem sei grüner Wasserstoff gerade für den Import wichtig: „Eine einzige H2-Pipeline aus Nordafrika transportiert so viel Energie wie acht HGÜ-Leitungen.“ Mit Verweis auf den neuen Plan RePower EU geht Diwald von 125 GW installierter Leistung und 350 TWh/a Erzeugung bis 2030 weltweit für Europa aus. Resultat: ein Investitionsbedarf von 500 Milliarden Euro innerhalb und außerhalb der EU.

Doch die Banken müssen mitziehen, sagt Stephan Poth von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ): „Die Bank finanziert nur, was sie versteht – und da helfen wir weiter.“ Konkret meint er das International Hydrogen Ramp-up Programme, kurz H2Uppp, das Unternehmen bei der Projektentwicklung unter die Arme greift und von der GIZ umgesetzt wird. Einen ersten Erfolg konnte Poth bei der Fachveranstaltung vermelden: eine Public-Private Partnership (PPP) zur Erzeugung grünen Methanols in Mexiko. Zu Finanzierungsfragen stand außerdem Jörg Fromme zur Verfügung, der für die Exportinitiative Energie Unternehmen individuell bei Finanzierungsfragen berät.

Konsortialbildung zu H2

Eine weitere Option, um schneller in den H2-Markt einzusteigen ist die Bildung eines Konsortiums. Ein erfolgreiches H2-Konsortium hat sich dem Fachpublikum vorgestellt: TUNol, das mit erneuerbarem Strom aus Concentrated Solar Power (CSP) grünes Methanol herstellen will – auch mit Blick auf den deutschen Markt. Mit Unterstützung der Exportinitiative Energie bei der Konsortialbildung haben sich hier fünf Unternehmen gefunden und ein gemeinsames Projekt entwickelt. „Für mich war die Informationsveranstaltung entscheidend“, sagte Nader Ben Said von der Diwan International Engineering GmbH. Thorsten Schnorbus von der FEV Europe GmbH ist ein weiteres Mitglied im Konsortium TUNol. Seine Firma arbeitet eng mit der Automobilbranche zusammen und sieht H2 als Möglichkeit, das Geschäft zu diversifizieren. Die Unterstützung durch das BMWK sei besonders wichtig, denn „der Markt ist noch nicht vorhanden, aber er kommt.“ Für Schnorbus lautet die Kernfrage: „Wie kann ich das Projekt hochskalieren?“ In der Tat geht es in der Konsortialbildung gerade darum, Projekte zu identifizieren, die das Konsortium auch in anderen Zielmärkten umsetzen kann.

Die Bildung eines Konsortiums ist ein komplexer Prozess und wird seitens der Exportinitiative Energie von einem Moderator begleitet. Für H2-Projekte ist Frank Eibisch von der BC Berlin Consult GmbH zuständig. Für ihn sei es besonders wichtig, dem Konsortium Etappenziele zu setzen. Bei TUNol gab es beispielsweise Schwierigkeiten: Mittendrin wechselte ein Mitglied, das sich als Gruppenleiter etabliert hatte, den Job. „Das Ganze stand auf der Kippe“, sagte Said. Doch dann, so Eibisch, kam die Gruppe erst recht zusammen: „Die Aufgaben des Mitglieds wurden nicht etwa von einer anderen Person übernommen, sondern quasi basisdemokratisch innerhalb der Gruppe aufgeteilt.“ Laut Said sei die Moderation unerlässlich: „Ohne diese Unterstützung weiß ich nicht, ob das Konsortium zustande gekommen wäre.“

Die Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmer konnten sich anschließend im großen Plenum mit den Experten zu den präsentierten Themen austauschen und in drei Workshops am Nachmittag vertiefen:

  • H2-Uppp: was müssen Unternehmen tun, um auch von einem PPP zu profitieren?
  • Potentiale: Wo liegen die größten Marktpotentiale?
  • Projektbezogen: Konkrete Projekte identifizieren und entlang der Wertschöpfungskette Partner für Kooperation und potentielle Konsortien finden.