Graphik einer Solaranlage

© GIZ / Hamzeh Arar

Vorgestellt wurden Ergebnisse der „Sektoranalyse Jordanien: Erneuerbare Energien und energieeffiziente Lösungen zur Wärmeversorgung und -rückgewinnung“ des Projektentwicklungsprogramms (PEP). Vorgestellt wurden die generellen Potenziale des Marktes sowie konkrete Optionen für lokale Unternehmer auf Basis durchgeführter Vor-Ort-Messungen zur Bestimmung des Wärmebedarfs.

Die jordanische Wirtschaft ist in den letzten zwei Jahrzehnten stetig gewachsen. Allerdings ist das Land zu 92 Prozent von Energieimporten abhängig, was alle Branchen anfällig für Schwankungen auf dem Ölmarkt macht. Die Energiepreise in Jordanien sind zudem um ein Vielfaches teurer als in den Nachbarländern. Dies stellt eine große Herausforderung für die Industrie dar. Der industrielle Energieverbrauch machte Ende 2018 etwa 14 Prozent aus. Die wichtigsten Exportbranchen sind die chemische, pharmazeutische, lebensmittel- und textilverarbeitende Industrie.

Die hohen und stark schwankenden Kraftstoffpreise sind der Hauptgrund der jordanischen Industrie, sich alternativen Energieversorgungslösungen zuzuwenden. Die reichhaltigste Ressource in Jordanien: Solarenergie – und damit ein großes Potenzial für erneuerbare oder energieeffiziente Wärmeversorgung. Die Solarthermie spielt hier eine herausragende Rolle insbesondere als eine Alternative zum stark regulierten Strommarkt. Sinkende Kosten für solarthermische Anlagen begünstigen die Machbarkeit solcher Systeme zusätzlich.

Das genaue Beleuchten dieses Potenzials war der Ausgangspunkt der neuen Sektoranalyse des PEP. Ziel der Analyse war es, Einblicke in diesen spezifischen Sektor zu gewinnen, den aktuellen Entwicklungsstand und die Förderungsstrategie der Regierung zu beleuchten. Das PEP Team untersuchte das Potenzial regenerativer Wärmeversorgungslösungen für den gewerblichen und industriellen Sektor in Jordanien mit dem Schwerpunkt auf energieeffiziente Anwendungen zur Erzeugung von Prozesswärme/Dampf und zur Rückgewinnung von Prozesswärme. Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen und spezielle Lösungen für die jordanische Industrie konnten identifiziert werden. Das Webinar präsentierte die wichtigsten Erkenntnisse und Ergebnisse dieser Sektoranalyse.

Solarthermische Energie im jordanischen Industriesektor

Der jordanische Industriesektor trägt zu 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 93 Prozent der Ausfuhren bei. Rund 260.000 Arbeitnehmer sind in diesem Sektor beschäftigt. Er ist der drittgrößte Energieverbraucher und der zweitgrößte Stromverbraucher des Landes. Die Energiekosten wiederum machen 31 Prozent der Produktionskosten aus.

Etwa 21 Prozent der Energieeinsparungen durch erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind möglich. Die Senkung der Produktionskosten durch Energieeinsparungen ist der Schlüssel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.

Die Sektoranalyse identifizierte vier Schlüsselindustrien als besonders vielversprechend für die Integration von Prozesswärmesystemen aus erneuerbaren Quellen: Die Lebensmittelproduktion, die Textilindustrie sowie die chemische und pharmazeutische Industrie.

Innerhalb dieser Sektoren sind folgende Teilsektoren besonders erwähnenswert: die pharmazeutische Produktion sowie Lebensmittelproduktion insbesondere von Milchprodukten und Süßigkeiten. Alle diese Sektoren benötigen Dampf und Prozesswärme. Nicht konzentrierende Solarkollektoren, konzentrierende Solarfelder, Biomasse und Wärmepumpen wurden als Möglichkeiten zur erneuerbaren Erzeugung des erforderlichen Dampf- und Wärmebedarfs identifiziert – zusätzlich zur Verbesserung der Effizienz und Wärmerückgewinnung bestehender Anlagen. Die optimalen Alternativen hängen dabei von den sektorspezifischen Anlagen ab.

Neben dem technischen Potenzial wird der Übergang zur erneuerbaren Energieversorgung ebenfalls politisch stark gefördert. Das jordanische Ministerium für Energie und Bodenschätze (MEMR) bietet beispielsweise über den Jordan Renewable Energy and Energy Efficiency Fund (JREEEF) Zuschüsse für Fabriken an, die an der Durchführung von Energieaudits insbesondere im Bereich der Energieeffizienz interessiert sind. Bislang haben 44 Fabriken an dieser Initiative teilgenommen und konnten durch Energieeffizienzmaßnahmen 19 Prozent ihres Energiebedarfs reduzieren, wobei sich die Investition in weniger als drei Jahren amortisiert hat. Dies veranschaulicht den bestehenden Unterstützungsrahmen für Solarthermie und gibt gleichzeitig einen Eindruck von möglichen Einsparpotenzialem im Industriesektor.

Chancen für deutsche Anbieter

Die sehr hohen Energiekosten sind in den letzten sechs Monaten erneut stark angestiegen. Die Motivation, auf alternative Energielösungen umzusteigen, gewinnt damit an Dynamik.
Bereits erfolgreich umgesetzte Referenzprojekte im Bereich der konzentrierenden und nicht-konzentrierenden Solarthermie sowie verschiedene Maßnahmen zur Wärmerückgewinnung und Steigerung der Energieeffizienz stellen eine Chance für deutsche Unternehmen und Technologien dar. Auf diesen Referenzen kann weiter aufgebaut. Zunehmendes Bewusstsein der jordanischen Marktteilnehmer und des Industriesektors für solche Anwendungen und ihre wirtschaftliche Machbarkeit verstärken das Potenzial. Auch die Abkehr von der Photovoltaik aufgrund begrenzter Netzkapazitäten wird den Industriesektor weiter motivieren, sich neuen Lösungen zuzuwenden. Deutsche Unternehmen, die in den jordanischen Erneuerbare-Energien-Markt einsteigen wollen, sollten diese neue Entwicklung berücksichtigen.

Jordanien unterstützt Erneuerbare-Energien- und Energieeffizienz-Maßnahmen, indem es alle dafür benötigte Komponenten von der Zoll- und Umsatzsteuer befreit. Darüber hinaus sind Komponenten europäischen Ursprungs aufgrund des Freihandelsabkommens vom Zoll befreit. Auch Investitionsanreize wie "Freihandelszonen" und "Entwicklungszonen" mit besonderen Konditionen können für deutsche Hersteller eine attraktive Option sein, um Produktions- oder Montageaktivitäten nach Jordanien zu verlagern.

Jordanien verfügt über kompetente lokale Bauunternehmen, was die Umsetzung deutscher Lösungen erleichtert. Andererseits stellt die Projektentwicklung eine große Herausforderung dar. Gründe dafür sind die Unsicherheiten bei der Erfassung von Lastprofilen, Systemdesigns und Integrationskonzepten. Die Endkunden sind oft nicht bereit, für Ingenieurleistungen zu bezahlen. PEP Aktivitäten kommen dieser Herausforderung entgegen, indem sie den Endnutzern kostenlose Unterstützung bei der Projektentwicklung bieten und das Projekt in die Phase der Umsetzungsreife bringen. Auch Finanzierungsbeschränkungen und Bedenken der Endnutzer, die Investitionen in andere Aspekte wie Produktionssteigerungen, insbesondere im Industriesektor, den Vorrang geben, können mit dem ESCO-Ansatz angegangen werden, bei dem private Entwickler das Projekt abwickeln und dem Kunden das Risiko abnehmen.

Unterstützung des PEP

Die Aktivitäten des lokalen PEP Teams werden weiter dazu beitragen, den Solarthermie-Markt in Jordanien zu beschleunigen, indem sie interessierten Endnutzern kostenlose Projektentwicklungsdienste anbieten. Das PEP ist seit 2018 in Jordanien mit dem Schwerpunkt auf Photovoltaik aktiv. Mehrere Referenzprojekte konnten erfolgreich begleitet werden, in denen Abnehmer durch deutsche Unternehmen und Technologie Kosteneinsparungen und Nachhaltigkeitsziele erreicht haben.

Das PEP wird seinen Schwerpunkt künftig auf Solarthermie, Energieeffizienz und Wärmerückgewinnung verlagern, um deutsche Unternehmen und Technologien mit lokalen Abnehmern zu verbinden.