Kai Henke, Geschäftsführer der AHK Guatemala

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Wodurch charakterisiert sich der guatemaltekische Markt für erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Speicher?

Guatemala hat über 17 Mio. Einwohner und ist damit die größte Volkswirtschaft Zentralamerikas. In 2021 gab es ein besonders erfreuliches Wirtschaftswachstum von 7,5%, die Industrie wächst. Das führt auch zu stark wachsendem Strombedarf. Das zentralamerikanische Land war die letzten Jahre ein Strom-Exportland in die Nachbarstaaten, das nimmt jedoch ab.

Der Energie- und Strommarkt ist übers Jahr gesehen momentan bei etwa 70% erneuerbaren Energien angekommen. Wasserkraft macht ungefähr die Hälfte der Stromversorgung des Landes aus. Die Regierung sieht bis 2027 vor, die Versorgung zu diversifizieren und dauerhaft 80% ihres Energiebedarfs mit erneuerbaren Quellen zu decken.

Insgesamt wird in Guatemala immer mehr auf eine dezentrale Energieversorgung gesetzt, um flexibler und resilienter zu werden, abgelegene Gebiete versorgen zu können und die Elektrifizierungsrate zu steigern. Dabei spielen Erneuerbare Energien natürlich eine große Rolle – wie in ganz Zentralamerika.

In welchen Bereichen liegt das größte Potenzial?

Das Potenzial für Solarenergie ist riesig. Nicht nur für die Industrie, sondern auch für Privathaushalte ist es heute wirtschaftlich, PV-Anlagen zu betreiben. Auch das Windenergiepotenzial ist groß. Außerdem ist Geothermie aufgrund ihres hohen natürlichen Potenzials ein großes Thema. Es gibt bisher allerdings nur zwei Anlagen und drei weitere befinden sich noch in Planung und Bau.

In den Bereichen Energieeffizienz und auch Energiespeicherung gibt es bisher allerdings noch keine genauen Ziele. Eine Strategie für diese Bereiche ist laut Energieministerium und Verbänden noch in der Ausarbeitung. Wir beobachten, dass die private Industrie - vor allem größere Unternehmen - der Politik hier schon einen Schritt voraus sind. Sie wollen effizienter werden, ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren und neuerdings: Vorreiter im Bereich grüner Wasserstoff werden.

Wasserstoff ist ein gutes Stichwort. Welche neuen Entwicklungen gibt es momentan im guatemaltekischen Markt?

Die Regierung bedient sich mehrerer Förderinstrumente für erneuerbare Energien, wie beispielsweise Zollbefreiungen und Reduzierung oder Befreiung von Einfuhrsteuern. Seit neustem gibt es eine Strategie und Förderung zur Produktion von grünem Wasserstoff. Das wurde als erneuerbares Energieprojekt eingestuft und kommt damit ebenfalls für die verschiedenen Förderungen in Frage - genauso wie Elektro- und Wasserstofffahrzeuge sowie die Infrastruktur dafür. Es wird auch überlegt, grünen Wasserstoff oder Ammoniak für den Export zu produzieren, bisher ziehen das vor allem private Erzeuger in Betracht. Natürlich befindet sich die Infrastruktur dafür noch im Aufbau, aber sie wollen jetzt einsteigen, damit sie zu den ersten gehören. Einige große Firmen wollen auch nicht nur Vorreiter im Land, sondern in der ganzen Region sein. Sie wollen nachhaltiger werden und CO2 einsparen, auch wenn es noch keine Gesetze wie in anderen Ländern gibt, die ihnen das vorschreiben.

Es steht zum 30.08. eine neue Ausschreibung über 235 MW an. Das umfasst natürlich nicht nur ein Projekt, aber mindestens 50% davon soll in Form von erneuerbaren Energien zur Verfügung gestellt werden. Genaueres wird erst noch bekannt gegeben.

Wir beobachten, dass besonders die größeren Unternehmen in Guatemala sehr auf Innovationen bedacht sind. Wann immer bei den Energie-Geschäftsreisen Unternehmen dabei waren, die sehr innovative Technologien präsentiert haben, waren die potenziellen Kunden äußerst interessiert. Es gab zum Beispiel Unternehmen, die Wellengeneratoren oder auch Windenergie-Produktion mit Kites oder vertikalen Anlagen angeboten haben und sich dann vor Meeting-Anfragen kaum retten konnten. Sie wollen etwas Neues, sie wollen moderner und nachhaltiger werden. Trotzdem ist natürlich der Kosten-Nutzen-Faktor ausschlaggebend.

Welche Besonderheiten sollten deutsche Anbieter oder Dienstleister für den Markteinstieg in Guatemala beachten?

Die Nachfrage insbesondere nach deutscher Technologie ist enorm. Dort gab es aus unserer Sicht über die letzten Jahre einen Umschwung: Man nahm günstigere Produkte wie beispielsweise Solarpanels aus anderen Ländern, musste dann aber nach einem Jahr feststellen, dass deren Effizienz bereits stark nachgelassen hatte und Teile oder ganze Systeme ausgetauscht werden mussten. Deshalb setzen Viele wieder stärker auf Qualität „made in Germany“ und schätzen besonders die ausgezeichneten Garantiebedingungen, auf die sie sich besser verlassen können.

Große Konkurrenz kommt aus den Vereinigten Staaten, die nun mal geographisch bedingt näher dran sind am guatemaltekischen Markt. Aber Deutschland und Guatemala haben – auch wenn es vielen Deutschen nicht bekannt ist – eine weit zurückreichende gute Handelsbeziehung. Der hohe Qualitätsstandard, Garantien, Wartungs- und Nachbetreuungsdienstleistungen deutscher Unternehmen sind weithin bekannt. Es gibt außerdem ein Assoziierungsabkommen mit Zolleinsparungen zwischen Zentralamerika und der EU, wodurch es günstiger ist, Produkte aus Europa zu beziehen. Wir als AHK beraten auch dazu, wie man sich die Förderung durch das Abkommen am besten zu Nutze machen kann.

Es bietet sich logistisch und strategisch an, in Guatemala zu starten und sich dann von dort in der Region auszubreiten. Sogar von Guatemala aus den US-amerikanischen oder asiatischen Markt zu bedienen, ist denkbar. Das Land grenzt direkt an vier Nachbarstaaten an und verfügt sowohl auf der Atlantik- als auch auf der Pazifikseite über industrielle Häfen.

Gab es in der Vergangenheit bereits Erfolgsmeldungen deutscher Firmen zu verbuchen?

Die Energie-Geschäftsreisen sind bei guatemaltekischen Unternehmen ausgesprochen beliebt, um Kontakte zu knüpfen und mehr über innovative Technologien zu erfahren. Agri-PV Anlagen sind gerade ein großes Thema, das kommt in Guatemala besonders für Kaffeeplantagen in Frage. Zum Thema grüner Wasserstoff ist die Nachfrage sehr groß, sowohl von einzelnen Industrien, die den Wasserstoff direkt verwenden wollen, als auch von solchen, die den Wasserstoff als Energiespeicher oder für eine Wasserstoff-Fahrzeugflotte nutzen wollen.

Auf einer Informationsveranstaltung wurde die Konsortialbildung als neues Angebot der Exportinitiative vorgestellt. Der Ansatz der Komplettlösung war für die meisten Unternehmen recht neu, wurde aber begrüßt. Es besteht großes Potenzial dafür, funktionierende Systemlösungen, die in Pilotprojekten erprobt werden, auf verschiedene Niederlassungen und die gesamte Region auszuweiten. Ein Konsortium deutscher Unternehmen im Bereich grüner Wasserstoff ist derzeit im Gespräch mit einem interessierten Kunden. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es sinnvoll ist, wenn jemand aus der Kammer beim ersten Gespräch zwischen deutschen und guatemaltekischen Unternehmen als Ansprechpartner für eventuell auftretende marktwirtschaftliche Fragen dabei ist.

Was steht in der nächsten Zeit im Rahmen der Exportinitiative Energie für Unternehmen an, die sich für einen Markteinstieg in Guatemala interessieren?

Ende des Jahres findet eine Informationsreise für eine Delegation aus El Salvador, Honduras und Guatemala zum Thema dezentrale Energieversorgung mit erneuerbaren Energien in Deutschland statt, bei deren Auftaktveranstaltung sich deutsche Firmen präsentieren können, nächstes Jahr dann voraussichtlich wieder eine Geschäftsreise.

Wir als Handelskammer sind aber auch unabhängig von Veranstaltungen Ansprechpartner für deutsche Unternehmen und immer offen für Anfragen. Die Nachfrage in Guatemala ist wie gesagt enorm – sowohl an innovativen neuen Technologien als auch „alteingesessenen“ Lösungen. Besonders nachgefragt sind Solarlösungen aus allen Bereichen, hier erreichen uns jede Menge Anfragen. Es gibt also immer was zu tun!

Interview zwischen Kai Henke (AHK Guatemala) und Laura Leypoldt (Geschäftsstelle der Exportinitiative Energie)

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