Andrew Aryee, AHK Nigeria

© Andrew Aryee, AHK Nigeria

Was man über den nigerianischen Markt für erneuerbare Energien und Energieeffizienz wissen sollte

Nigeria ist ein Land mit großem Energiedefizit - über 90 Millionen Menschen haben dort keinen Zugang zum Stromnetz. Das führt dazu, dass Privathaushalte, Gewerbe und Industrie für ihre täglichen Aktivitäten private Benzingeneratoren zur Stromerzeugung nutzen, die im Vergleich zum Strom aus dem nationalen Netz relativ teuer sind. Dies stellt eine Gelegenheit für Technologieanbieter dar, die geeignete und wettbewerbsfähige Energielösungen anbieten.

Bisher ist die Sensibilisierung für erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energiespeicherung in Nigeria gering. Außerdem hat ein Teil der Bevölkerung bereits schlechte Erfahrung gemacht, als vor einiger Zeit der Solarenergiemarkt mit gefälschten Produkten überschwemmt wurde - dies vermittelte der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck vom Potenzial der Photovoltaik. Es bestehen außerdem noch Lücken bei der Einführung von Finanzierungsmechanismen für Erneuerbare-Energie-Projekte, um die Technologien kommerziell und massenhaft zu nutzen.

Nichtsdestotrotz hat Nigeria ein enormes Potenzial, die reichlich vorhandenen erneuerbaren Energieressourcen (Sonne, Wind, Biomasse und Wasserkraft) anzuzapfen, um einen zuverlässigen und erschwinglichen Energiezugang zu erreichen. Es bestehen viele Investitionsmöglichkeiten in erneuerbare Energien, den Aufbau von Kapazitäten, die Unterstützung lokaler Finanzierungsinstitutionen und vieles mehr. Heute werden in Nigeria kontinuierlich Prepaid-Stromzähler verteilt und eingeführt.
Um ihre Stromausgaben zu senken, setzen Haushalte außerdem auf immer effizientere Geräte. Glühbirnen mit hohem Energieverbrauch werden durch Energiesparlampen ersetzt. Dies gilt auch für Haushaltsgeräte wie Kühlschränke, Klimaanlagen, Fernsehgeräte und Waschmaschinen.

Wie entwickelt sich der Markt aktuell und welche Zukunftsprognosen gibt es?

Der nigerianische Masterplan für erneuerbare Energien (REMP) sieht vor, den Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromerzeugung von 13 % im Jahr 2015 auf 23 % im Jahr 2025 und 36 % im Jahr 2030 zu erhöhen. Er sieht dafür eine Reihe von Steuer- und Marktanreizen vor. Kurzfristig ist ein Moratorium für Einfuhrzölle auf erneuerbare Energietechnologien geplant, längerfristig dann weitere Steuergutschriften, Kapitalanreize und Vorzugsdarlehensmöglichkeiten für klimafreundliche Projekte.

Vor Kurzem hat die nigerianische Regierung außerdem einen Energy Transition Plan (ETP) vorgestellt, der Nigerias Weg zur Erreichung der Kohlenstoffneutralität bis zum Jahr 2060 durch die vollständige Abschaffung von Diesel-/Benzinerzeugern und den Ausbau der Erzeugungskapazität durch erneuerbare Energien aufzeigt.
Der ETP sieht einen verstärkten Einsatz dezentraler erneuerbarer Energien vor – etwa 6,3 GW dezentrale Erzeugung bis 2030. Bestehende Generatoren müssen ersetzt werden. Gleichzeitig soll eine Aufrüstung der bestehenden zentralen Erzeugungskapazität erfolgen, um 2030 eine Betriebskapazität von 42 GW zu erreichen. Dies geht einher mit dem Ausbau von Übertragungs- und Verteilungsnetzen. Ab 2040 soll in der zentralen Energieversorgung mit Solar-PV eine Energiespeicherung mit Hilfe von Wasserstoff möglich sein. Bis 2060 sind 112 GW an Energiespeichern geplant.

In welchen Bereichen bestehen Chancen für deutsche Mittelständler?

Deutsche Produkte sind in Nigeria bereits für ihre hohe Qualität und einen guten Service bekannt. Geeignete Geschäftsmodelle bieten vor allem: Photovoltaik und Energiespeicherung, Bioenergie, Windenergie, Wasserstoff und Power-to-X Lösungen.
Aufgrund der hohen Energiekosten besteht auch die Möglichkeit, Beratungsdienstleistungen mit Schwerpunkt auf Energieaudits für den gewerblichen und industriellen Sektor anzubieten, um die Energieeffizienz zu verbessern.

Des Weiteren besteht ein enormer Bedarf an Fachkräften, von technischem Know-how bis hin zum komplexen Projektmanagement. Deutsche Unternehmen, die hier Lösungen für die Qualifizierung von nigerianischen Mitarbeitern anbieten, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten und punkten bei den nigerianischen Behörden, die den Aufbau lokaler Kapazitäten fördern wollen.

Welche Angebote empfehlen Sie deutschen KMU, die an Nigeria als Zielmarkt interessiert sind?

Deutsche KMU, die an einem Export nach Nigeria interessiert sind, sollten sich zunächst an die Delegation der Deutschen Wirtschaft in Nigeria wenden. Wir unterstützen bei der Identifizierung einer geeigneten Markteintrittsstrategie.

Die West African Clean Energy & Environment Trade Fair and Conference (WACEE) ist die Ausstellung und Konferenz der Subregion für die Bereiche saubere Energie und Umwelttechnologie. Die WACEE'22 wurde von der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Nigeria organisiert und begrüßte mehr als 1000 Besucher, darunter Branchenexperten, Wirtschaftsführer und Regierungsvertreter, sowie einen German Pavillon und einen österreichischen Pavillon. Sie wird in 2024 erneut stattfinden.

Im Jahr 2023 wird es im Rahmen der Exportinitiative Energie eine Informationsveranstaltung zum Thema Energieeffizienz und Selbstversorgung mit PV in der Industrie (mit einem Schwerpunkt auf der Agrarindustrie) geben. Dabei können sich deutsche Unternehmen einen ersten Überblick über diesen Markt verschaffen.
Außerdem wird eine Informationsreise nach Deutschland zum Thema "Grüner Wasserstoff und Power-to-X" stattfinden, bei der nigerianische Industrieexperten/Regierungsvertreter deutsche Projektstandorte besuchen werden, um sich über die Entwicklung des Sektors zu informieren.

Im März 2023 wird die AHK Nigeria in Zusammenarbeit mit Enviacon und mit Unterstützung der IHK Gießen-Friedberg, des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) und der Nigerianisch-Deutschen Handelskammer (NGCC) eine Geschäftsanbahnungsreise für deutsche Unternehmen im Bereich Smart City nach Nigeria durchführen. Dies ist eine projektbezogene Fördermaßnahme im Rahmen des Markterschließungsprogramms für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).