Interviewrunde von links: Maria Sasse, Regionalmanagerin für die Amerikas; Laura Leypoldt, Redakteurin; Britta Schneider, Managerin Government Projects and Trade Missions bei der AHK Chicago; Martha Erhard, Senior Managerin bei der AHK Chicago.

Interviewrunde von links: Maria Sasse, Regionalmanagerin für die Amerikas; Laura Leypoldt, Redakteurin; Britta Schneider, Managerin Government Projects and Trade Missions bei der AHK Chicago; Martha Erhard, Senior Managerin bei der AHK Chicago.

© Geschäftsstelle der Exportinitiative Energie

Mit regulativen Änderungen und Förderungen im Bereich der sauberen Energie wie dem kürzlich verabschiedeten, milliardenschweren Inflation Reduction Act (IRA) ist der US-Amerikanische Markt zurzeit in aller Munde. Was beobachtet ihr im Markt?

Man spürt wirklich, dass in den USA in letzter Zeit ein echtes Umdenken stattfindet – in der Politik, aber auch in der Gesellschaft. In der Vergangenheit nahmen Energiethemen keinen so wichtigen Stellenwert ein, wie das in Deutschland der Fall war und ist. Deshalb ist Deutschland in diesem Bereich einige Schritte voraus. Um Themen wie Elektromobilität, Modernisierung der Stromnetze und CO2-Emissionsziele kommt man heute aber gar nicht mehr herum.

Die USA sind jetzt dabei aufzuholen: Es gibt etliche Mechanismen, das Geld fließt gerade „wie wild“ in alle Richtungen. Abgesehen von den vor allem steuerlichen Anreizen durch den IRA wurden bereits letztes Jahr massive Investitionen in die Energie-Infrastruktur in die Wege geleitet: 1,2 Milliarden Dollar Finanzierung werden seitens Federal Government mit der Bipartisan Infrastructure Law in den nächsten Jahren ausgegeben. Verschiedene Bereiche der Infrastruktur sollen ausgebaut werden, einer davon ist das Stromnetz. Viele Entscheidungen über den Ausbau und die Modernisierung der Netze werden auf Ebene der fünf Regionen der USA – Nordosten, Westen, Mittlerer Westen und Südstaaten - getroffen. Es gab hier auch früher schon Nachhaltigkeitsziele, aber diese waren bei weitem nicht so tiefgreifend.

In welchem Zeitrahmen ist mit einer Wirkung der Anreize auf den Markt zu rechnen?

Alles passiert sehr schnell. Teilweise werden die Policies noch überarbeitet, aber gleichzeitig werden bereits Gelder ausgeschüttet. Aus deutscher Perspektive ist es immer wieder überraschend, wie schnell solche politischen Entscheidungen in den USA umgesetzt werden. Ein Beispiel ist der Bereich Wasserstoff: Als klar wurde, dass in diesem Bereich Fördergelder kommen, wurden innerhalb kürzester Zeit Allianzen geschmiedet und Konzepte ausgearbeitet, um Hydrogen Hubs zu werden und so mit den Fördergeldern die lokale Energiewirtschaft zu stärken. Weiterhin erfolgen entlang der Ostküste die Erschließung, Genehmigung und der Bau von Offshore Windparks vergleichsweise rasch.

Wir denken, dass die USA jetzt in unglaublich kurzer Zeit unglaublich viel aufholen werden. Das kann aber gar nicht nur aus den USA gestemmt werden, sie können die Menge an Geld, das gerade fließt, nicht ohne Zulieferung von außen ausgeben. Und bei der Umsetzung der Klimaziele können vertraute Handels- und Technologiepartner wie Deutschland auschlaggebend unterstützen und gleichzeitig selbst von den Investitionspaketen profitieren.

In den USA probiert man Dinge schnell aus. Wenn es nicht funktioniert, dann hat man eben einfach etwas daraus gelernt. In Deutschland denkt man im Allgemeinen im Vorfeld viel mehr darüber nach. Und das hat auch seinen Sinn. Tatsächlich kann man dabei auf beiden Seiten voneinander lernen und sich gegenseitig ergänzen. Das schätzen wir an der Deutsch-Amerikanischen Kooperation.

Viele Neuerungen in kürzester Zeit auf verschiedensten Ebenen machen es für Außenstehende möglicherweise kompliziert, den Markt zu überblicken?

Das kann kompliziert sein, jede Region und jeder Bundesstaat bieten unterschiedliche Voraussetzungen. Unternehmen kommen deshalb oft einfach mit der Frage zu uns, wo in diesem riesigen Markt sie mit ihren Produkten oder Dienstleistungen am besten einsteigen können. Wir beraten dann gezielt bei der Standortsuche und helfen ganz konkret beim Markteinstieg.

In welchen (Technologie-)Bereichen bestehen in naher Zukunft die besten Chancen für KMU aus Deutschland?

Es ist bekannt, dass die USA gerade im Bereich Energieeffizienz in Gebäuden einen großen Nachholbedarf haben. Gerade im mittleren Westen, wo es im Sommer sehr heiß und im Winter sehr kalt wird, gibt es Handlungsbedarf, denn auch in den USA steigen die Energiepreise. Gerade für größere Gebäude, die gewerblich genutzt werden, wird das ein Thema. Förderungen und Steuervorteile gibt es in diesem Bereich beispielsweise für Wärmepumpen und Solaranlagen. Es lohnt sich jetzt also mehr denn je, sich als Amerikaner über diese Themen Gedanken zu machen. Es gibt mittlerweile auch eine Effizienz-Zertifizierung für Gebäude, die immer mehr zum Verkaufsargument wird.

Außerdem ist der Ausbau der Stromnetze das zweite große Thema – auch in Deutschland, aber in den USA entsteht in dem Bereich gerade ein riesiger Markt. Beispielsweise sollen die landesweiten Übertragungssysteme verdreifacht werden und eine Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge errichtet werden. Darüber hinaus soll durch eine intelligente Neugestaltung des Stromnetzes die effiziente Einspeisung von erneuerbaren Energien garantiert werden. Deshalb sehen wir auch hier große Potenziale für deutsche Markteintritte und bieten Veranstaltungen zu den Themen Netzmodernisierung, Smart Grids und Energiespeicher an.

Es besteht die Befürchtung, dass nach der nächsten Wahl alle Fortschritte wieder rückgängig gemacht werden könnten. Wie seht ihr das?

Diese Angst können wir nehmen. Dieser Richtungswechsel ist wie gesagt nicht nur durch die Policy und die Infrastrukturinvestitionen von öffentlicher Seite getrieben, sondern es werden gerade auch von Unternehmen große Investitionen getätigt. Und diese basieren auf wirtschaftlichem Interesse. Große Mengen an Fördergeldern fließen strategisch auch gerade in republikanische Staaten. Dort werden Infrastrukturen aufgebaut und Arbeitsplätze geschaffen. Das rückgängig zu machen wäre schwierig und aller Voraussicht nach nicht gewünscht. Selbst wenn man politisch gesehen gegen Fördergelder ist wird man wirtschaftlich davon profitieren wollen. Der IRA ist außerdem auf 10 Jahre ausgelegt und garantiert damit Langfristigkeit.

Welche Herausforderungen gibt es speziell für deutsche Unternehmen? Könnt ihr Tipps mit auf den Weg geben?

Im Hinblick auf die Geschäftsanbahnung und das Kontakteknüpfen gibt es ein paar Dinge, die deutsche Unternehmer und Unternehmerinnen beachten könnten, um im amerikanischen Markt erfolgreicher zu sein. Auf den letzten Energie-Geschäftsreisen ist uns immer wieder aufgefallen, dass die Art und Weise, wie die Firmen sich und ihre Energielösungen präsentieren „amerikanischer“ gestaltet werden könnte: Präsentationen sind bisher oft sehr faktenbezogen und ausführlich, wobei in den USA eher kurz auf die wichtigsten „Unique Selling Points“ eingegangen wird.

Unser Tipp: Bei Präsentationen lohnt es sich, kulturelle Unterschiede mitzudenken: Ein bisschen mehr Storytelling, lebendige, konkrete Beispiele, und eine freie Vortragsweise. Je kürzer, desto besser. Es reicht, ein cooler Fakt – am besten der unique selling point, der den Anwesenden im Kopf bleibt. Für was ist es nützlich und warum sollte man (als amerikanischer Kunde oder Partner) die eigene Firma wählen und nicht die Konkurrenz? Und je mehr mein Verkaufsargument mit konkreten Einsparungen, geldwerten Vorteilen zu tun hat, natürlich umso besser. In den USA darf man mit seinen Pluspunkten „angeben“. Wir bieten deshalb auch ein Interkulturelles Training als Teil unserer Geschäftsreiseprogramme.

Darüber hinaus ist es essenziell, auf Fachkonferenzen zu netzwerken. Die Präsentation weckt erstmal Interesse. Aber dann im Nachgang kommt eigentlich – unserer Erfahrung nach – der für Amerikaner wichtigere Teil, bei dem man mit jedem erstmal ins Gespräch kommt und dadurch Geschäftsbeziehungen aufbaut. Dafür muss man auch nicht super Englisch sprechen, wichtig ist nur, dass man den Small Talk nicht vernachlässigt. Netzwerken ist natürlich auch in anderen Ländern wichtig, in den USA ist es unabdinglich.

Wie kann man mit möglichen Herausforderungen, wie z.B. Konkurrenz umgehen?

In den USA herrscht ein starkes Preisbewusstsein. Das bedeutet im Zweifelsfall, dass ein Produkt gekauft wird, weil es günstig ist und wenn es in zwei Jahren kaputt geht, kauft man ein Neues. In Deutschland wird zumeist ein großer Fokus auf die Qualität und langfristige Haltbarkeit von Produkten gelegt. In einem Verkaufsgespräch muss man das dann auch klarmachen und vielleicht sogar vorrechnen: „Mein Produkt ist zwar teurer, aber eben auch besser. Es hält 10 Jahre und ist damit längerfristig günstiger als die Konkurrenz.“

Dafür bietet es sich natürlich an, den Markt genau zu kennen. Was genau bietet meine Konkurrenz an? Was sind Verkaufsstrategien und Preise? Wir von der AHK bieten auch Marktstudien an, die herausfinden, welche Konkurrenz das jeweilige deutsche Produkt oder Dienstleistung auf dem amerikanischen Markt hat.

Welche Angebote und Veranstaltungen in 2023 sollte man auf dem Schirm haben?

Nächstes Jahr finden in den USA gleich fünf Energie-Geschäftsreisen, sowie das Auslandsmesseprogramm der Exportinitiative auf der Cleanpower Conference & Exhibition in New Orleans statt. Im Mittleren Westen fokussieren wir uns im 3. Quartal auf Digitalisierung und Modernisierung der Energieinfrastruktur mit Fokus auf Smart Grids, Netzmanagement und Energiespeicher und im 4. Quartal dann auf Energieeffizienz in Gebäuden.

In 2023 feiert die AHK USA-Chicago auch ihr 60-jähriges Jubiläum. In diesem Rahmen werden viele spannende Veranstaltungen stattfinden.